
Als Ergänzung hier noch eine
Zuschrift, die uns aus Russland erreichte:
Die Bilder sind hier
als PDF-File (Zuschrift MIT Bildern) anzusehen
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich interessiere mich sehr
für klassische Motorräder und war sehr froh, einen interessanten
Website über die DKW-Motorräder im Internet zu entdecken. Jedoch
muß ich eine Bemerkung zum Inhalt des Abschnitts “Technik & Infos”
machen.
In Ihrem Artikel über
die DKW-Abkömmlinge haben Sie ganz ausführlich die amerikanischen
und englischen Kopien der berühmten RT-125 beschrieben. Und dabei
nur ein kurzer Absatz über eine DKW-Kopie aus der Sowjetunion: die
Moskwa M1A. Haben Sie so wenig aus Platzmangel geschrieben, oder haben
Sie wirklich keine ausreichenden Informationen? Im letzteren Falle erlaube
ich mir, Ihnen einen kurzen Überblick zu diesem Thema beizutragen:
Die M1A war zwar tatsächlich
die erste “russische” DKW, doch bei weitem nicht die letzte und nicht die
einzige. Wenn wir schon mal über die RT-125 sprechen, dann soll zuerst
erwähnt werden, daß dieses, ähnlich wie in England und
Amerika, als Kriegsbeute erworbenes Leichtkrad nur kurzfristig in einem
der Moskauer Automobilwerke produziert wurde. Schon im Jahre 1948 wurde
die Produktion, samt den aus Deutschland gebrachten Produktionsanlagen
nach Minsk (heute Hauptstadt von Weißrussland) verlrgt. Dort hat
man auf der Basis einer ehemaligen Fahrradfabrik die Minsker Motorrad-
und Fahrradwerke gegründet, die die RT-125 noch bis heute als Ausgangspunkt
aller Modellen-Evolution bewährt. Die heutigen Minsker Motorräder
(die unter der Marke Motovelo auch in Deutschland vermarktet werden) sind
immer noch 125-er, deren Motor zwar stark modifiziert, doch im Grundaufbau
(Bohrung/Hub- und Kurbelwellenabmessungen) dem Vorkriegsprototyp identisch
ist.
Gleichzeitig mit dem Beginn
der Produktion der Moskwa M1A, also im Jahre 1946, hatte sich die sowjetsche
Regierung entschlossen, die Maschinengewehrfabrik in Kowrow (Vladimirer
Gebiet) auf Zivilproduktion umzurüsten. Waffen und Motorräder
passen schon überall irgendwie zueinander (z.B. die BSA war ursprünglich
auch eine Waffenfabrik), so nahm man auch dort die bewährte RT-125
in die Produktion. Das erste Modell, die K-125 war eine exakte DKW-Kopie
und wurde bis 1952 unverändert produziert. 1952 bekam die K-125 eine
Teleskopgabel, 1956 wich der Starrahmen einem mit Hinterradschwinge, 1957
tauchte das erste 175-er Modell mit stark überarbeitetem, 8 PS leistendem
Motor, Vierganngetriebe und 16-Zoll-Rädern auf. Die 125-er Modell
K-58 wurde noch bis 1960 produziert. Insgesammt wurden in Kowrow zwischen
1946 und 1960 über 950.000 direkter RT-Abkömmlinge hergestellt.
Ab 1960 werden in Kowrow nur 175-er produziert, deren Konstruktion sich
immer noch auf die Grundlagen der DKW-Zweitakterschule stützt. Nur
in den letzten Jahren zeigt sich bei den Kowrower Motorradherstellern ein
Trend zur Abweichung von der verälteten Bauweise der Einfach-Zweitakter.
Aber es scheint, daß die DKW-Nachfahren noch einige Zeit in Russland
als Brot-und-Butter-Fahrzeuge eine bestimmte Anfrage genießen werden.
Die RT-125 ist ohne Zweifel
ein bedeutender Teil der Motorradgeschichte der Welt. Aber die DKW-Geschichte
in Russland ist nicht von den Leichtkrafträdern geprägt. Der
Ruhm der deutschen Maschine, die Russland erobert hat, gehört einem
ganz anderen DKW-Modell – der NZ-350! Dieses Motorrad und seine Nachkommen
spielen in der russischen Motorradgeschichte eine Rolle, die nur mit der
von Harley-Davidson in Amerika vergleichbar ist. Die IZH-Planeta, das meistverbreitete
Motorrad in Russland, das nicht nur ein Fahrzeug, sondern schon ein Teil
der russischen Volkskultur geworden ist, ist eine Entwicklung der Mittelklasse-Maschine
von DKW des Jahres 1937! Übrigens kennt man in Westeuropa von den
russischen Motorrädern gewöhnlich nur die Ural und Dnepr. Aber
im Vergleich mit den Produktionsstückzahlen und der Produktionsqualität
der Ischewsker Motorradwerke sind die BMW-Bastarde eigentlich der schlechteste
Beispiel des russischen Motorradbaus.
Die Geschichte der IZH-Planeta
beginnt folgends: Die ganze Produktionsanlage für die NZ-350 in Zschopau
wurde 1946 demontiert und nach Ischewsk transportiert, wo die schon seit
1929 bestehende Motorradfabrik aus den Ruinen gehoben werden sollte. Und
so entstand im Jahre 1947 die IZH-350, eine Kopie der DKW NZ-350, die über
die nachfolgenden 50 Jahre evolutionierend, glänzend die Richtigkeit
des DKW-Zweitakterkonzepts bewiesen hat. Die vorbildliche Einfachheit,
Zuverlässigkeit und Haltbarkeit des 350-er Einzylinder-Zweitakters
ist in der russischen Volkssprache oft mit denen der Kalaschnikow-Sturmgewehre
(die auch in Ischewsk produziert sind) verglichen. Die IZH-350 mit Starrahmen
aus gepressten Stahlprofilen und Trapezgabel wurde bis 1951 produziert.
Dann kam das Modell IZH-49, mit Teleskopgabel vorn und Geradewegfederung
hinten, das sich bis 1956 im Programm hielt. Dieses legendäre Modell
ist oft bis heute, und nicht nur bei Oldtimer-Spezialisten ständig
im Einsatz, so zuverlässig ist es. Im Jahre 1956 wurde ein komplett
neues Fahrwerk (Modell IZH-56) in Serie galassen: ein Rohrrahmen mit doppeltem
Unterzug und Federbeinschgwinge, der bis heute an IZH-Motorrädern
verwendet wird. Nach der Einführung vom neuen 350-er Zweizylindermotor
war die Geschichte der Singles keineswegs beendet. Neben der schnelleren
“Jupiter”-Zweizylinder hatten die drehmomentorientierten Einzylindermodelle,
die den Namen “Planeta” tragen, immer einen Marktanteil, meistens am Lande
und meistens mit Seitenwagen. Die Produktionsmenge betrug in den besten
Zeiten bis 400.000 Stück pro Jahr. Alle Modelle bis 1985 (es waren
ihrer über die ganze Dauer nur vier) hatten die gleiche Motorkonstruktion,
langhubig, mit zwei Auspuffschlitzen und zwei Auspuffanlagen. Nur die Verdichtung
und die Form der Kanäle im Zylinder änderten sich, zuzgunsten
einer besseren Leistung. Kupplung, Primärantrieb und Vierganggetriebe
(ausgenommen die Gangübersetzungen) bleiben schon 50 Jahre unverändert.
Erst 1985 hat man dem Motor ins Innere gegriffen: das Modell Planeta-5
hat nur einen Auspuff, leistet 22 PS und hat eine noch bessere Drehmomentcharakteristik.als
die Vorfahren. Geänderte Kupplung, elektronische Zündanlage und
Getrenntschmierung, sowie Alu-Räder und Scheibenbrensen lassen jedoch
die wahre Identität des alten guten DKW-Zweitakters nicht verleugnen.
Veraltet ist es ja schon, nach den Ansichten der heutigen verwöhnten
Motorradkenner. Aber für die russischen Verhältnisse, Niveau
der Produktionstechnologie, Straßenqualität, Benzin- und Ölquatät,
Serviceniveau usw, bleibt die Planeta das einzige Motorrad, bei dem man
ohne großen Aufwand und ohne ständige Sorgen um Wartung, Ersatzteile
und (sehr wichtig!) Diebstahlgefahr, sich Freude am Motorradfahren sichern
kann.
Ich hoffe dass Sie diese
Information nicht uninteressant finden und mir meine Kritik und mein Deutsch
verzeihen. Ich werde versuchen, noch einige Fotos und genauere Modell-Liste
aufzutreiben, um die Geschichte der russuschen DKW‘s weiter zu illustrieren.
Mit freundlichsten Grüssen
Juri Szadsky, Krasnodar,
Russland
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